Rundgang: Informationssammlung: Gedenkorte im Wald (Gedenkstätte SS-Sonderlager/KZ Hinzert) - Station: Opfer des NN-Erlasses

Arbeitsauftrag: Gedenkort für die Opfer des Nacht- und Nebelerlasses

Diese Grube(n) wurden den Opfern des NN-Erlasses gewidmet (NN steht für Nacht und Nebel)

Diese Gruben unterscheiden sich deutlich von den vorherigen Stätten der Unmenschlichkeit, da bislang nicht nachgewiesen werden konnte, ob in den Gruben Häftlinge verscharrt worden waren oder nicht.

Nach dem Krieg und der Auflösung des Lagers soll es unkontrollierte/wilde Exhumierungen gegeben haben, die sich archivalisch bislang nicht belegen lassen.

Vieles was wir über die NN-Häftlinge wissen, verdanken wir den Recherchen von Joseph de La Martiniére. Er sammalte nach dem Krieg jahrzehntelang Dokumente und Beweise und wollte die alle Hintergründe des Erlasses  erforschen. Sein Werk über die Nacht- und Nebeldeportierten war und ist ein erschütterndes Zeugnis der Zeitgeschichte. Er war einer der Zeugen bei den Rastatter Prozessen (1948) gegen Mitglieder der Lager-SS aus Hinzert.

Der erste große Transport von NN-Häftlingen erreichte Hinzert im Mai 1942. Der letzte größere NN-Transport verließ das Lager im Oktober 1943.

Andere Leidensorte der NN-Deportierten waren die Gefängnisse in Trier und Wittlich

 

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Vortragskriterien: Grundsätzliche Erläuterung zum Informationsangebot

Die in diesem Rundgang dargestellten Informationsangebote verfolgen nicht das didaktisch-methodische Konzept des Aktivierten Rundgangs. Die Zielgruppe sind nicht nur Schülerinnen und Schüler, sondern auch interessierte Erwachsene, die Informationen über die Gedenkorte im Wald, in der Umgebung der Gedenkstätte Hinzert erschließen wollen.

1. Zusatzangebot: Der Nacht und Nebelerlass - ein kurze Einführung

Hitlers „Nacht- und Nebelerlass“ – eine kurze Einführung

„Die NN, was ist das?“ Diese Frage  richtete Joseph de La Martinière an die Zuhörerschaft, die im September 1988 in die elsässische Stadt Natzwiller gekommen war, um dem ehemaligen „Nacht- und Nebel“-Häftling des KZ Hinzert zuzuhören. NN steht für „Nacht und Nebel“, ein Begriff, der seit dem gleichnamigen Film von Alain Resnais von 1955 regelrecht inflationär verwendet wurde,[i] denn dieser Film prägte unser Bild von nationalsozialistischen Konzentrationslagern wie kaum ein Film davor oder danach.

Dass die Nacht- und Nebelgefangenen eine eigene Häftlingskategorie in der NS-Zeit waren, die ein grausames Schicksal erwartete, geht dabei meist unter. Dies ist nicht verwunderlich, denn bei den NN-Häftlingen handelte es sich um eine, verglichen mit den Hunderttausenden, die die Nazis aus den unterschiedlichsten Gründen in Konzentrationslager verschleppten, zahlenmäßig begrenzte Häftlingsgruppe von etwa 7000[ii] Gefangenen, von denen der Großteil aus Frankreich stammte.

Hintergründe, Inhalt und Folgen des Erlasses  und die Rolle, die das SS-Sonderlager/ KZ Hinzert dabei spielte, sollen hier kurz skizziert werden:

Mit Beginn des Vernichtungskrieges Nazideutschlands gegen die Sowjetunion am 22. Juni 1941 schöpfte der europäische Widerstand neue Hoffnung. Schließlich wusste man vom Desaster Napoleons und dem Untergang seiner Grande Armée im russischen Winter 1812. Die Winterkrise 1941, das Scheitern der Wehrmacht vor Moskau, veranlasste die NS-Führung dazu, nach neuen Wegen zu suchen, den Widerstand im besetzten Europa zu brechen.

Der Fall einer zum Tode verurteilten Französin, die von Hitler begnadigt, aber stattdessen heimlich nach Deutschland verschleppt und dort in Isolationshaft gehalten wurde, veranlasste Hitler, die Maßnahme des spurlosen Verschwindens generell anzuwenden.  Sein perfider Plan: Die des Widerstandes verdächtigten Personen sollten bei „Nacht- und Nebel“, also heimlich, nach Deutschland deportiert werden, wo sie von Sondergerichten verurteilt oder  ohne Aburteilung in Konzentrationslager oder Gefängnisse verschleppt werden sollten. Die Ungewissheit über das Schicksal der Deportierten sollte die Bevölkerung in Angst und Schrecken halten. Für die Häftlinge galt daher ein striktes Postverbot. Ein Kontakt zur Bevölkerung musste ebenso unbedingt vermieden werden. Selbst im Todesfall – so eine spätere Richtlinie – durften die Angehörigen keine Nachricht erhalten. Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel vom Oberkommando der Wehrmacht (OKW) fungierte bei dem Erlass als williger Vollstrecker Hitlers und setzte dessen Ideen um. Daher wird der NN-Erlass des Öfteren auch als „Keitel-Erlass“ und die Häftlinge entsprechend als „Keitel-Häftlinge“ bezeichnet. Am 7. Dezember 1941 hatte Hitler den Nacht- und Nebelerlass in Kraft setzen lassen. Das spurlose Verschwinden gab dem Erlass seinen Namen.

 

 

Die Geheimhaltung war Kernelement des NN-Erlasses, warf jedoch auch viele Fragen auf: Was passiert, wenn der Angeklagte freigesprochen wird? Der Zwang der absoluten Geheimhaltung schloss jedoch eine Entlassung aus, sodass die „Freigesprochenen“ unter dem Stichwort „Verneblung“ weiter in Haft blieben.[iii]

Die Opfer waren vor allem in kommunistischen Widerstandskreisen zu finden, und auch Frauen waren von dem Erlass betroffen. Über Wehrmachtsgefängnisse, wie z.B. Paris-Fresnes, La Sante oder Cherche-Midi[iv], wurden die NN-Deportierten ins Reich verschleppt. Je nach Herkunft der Deportierten waren verschiedene Sondergerichte für deren Aburteilung zuständig, wie z.B. Köln für französische Deportierte. In den Konzentrationslagern galten sie als „Schutzhäftlinge“, ohne je einen Schutzhaftbefehl gesehen zu haben, geschweige denn die Hintergründe ihrer unmenschlichen Behandlung zu kennen.

Ein Leidensort vieler NN-Deportierter war das SS-Sonderlager/ KZ Hinzert. Die ersten NN-Transporte kamen am 29. Mai 1942 in Hinzert an. Über das Gefängnis Trier[v] kamen die NN-Deportierten zum Bahnhof Reinsfeld. Von dort ging es zu Fuß zum Lager, wo sie der SS übergeben wurden. Wie viele NN-Häftlinge in Hinzert waren, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen, es dürften vermutlich über 2000 gewesen sein, die Mehrheit davon aus Frankreich, aber auch Mitglieder belgischer und niederländischer Widerstandsgruppen sind nachweisbar. Bis Oktober 1943 folgten mindestens 40 weitere Transporte nach Hinzert. So fungierte das SS-Sonderlager/KZ Hinzert, wie de La Martinière es ausdrückte, als „Vorkammer des Kölner Tribunals“.[vi]

Um die Kontaktsperre aufrechtzuerhalten, wurden die Nacht – und Nebeldeportierten in Hinzert überwiegend zu Kommandos im oder im nahen Umfeld des Lagers eingesetzt. Als besondere Schikane setzte die SS die NN-Häftlinge vor allem bei extrem kräftezehrenden Arbeiten ein. So mussten NN-Häftlinge beispielsweise im Sommer 1942 im Lager einen Löschteich ausheben, wo sie ihren Peinigern in SS-Uniform schutzlos ausgeliefert waren. Der enorme Aufsichtsdruck, der in einem überschaubaren Lager wie Hinzert herrschte, verschärfte diese Situation zusätzlich.

Der NN-Deportierte André Crut erinnert sich: „Die Arbeitsbedingungen waren unerträglich. Die Zwangsarbeiter ähnelten einer armen und völlig ausgebluteten Herde, die fast keine Kraft mehr hatte, sich vorwärts zu bewegen. Wehe dem, der hinfiel! Ein wahrer Regen von Schlägen prasselte auf seinen ausgelaugten Körper nieder.“[vii]

Nach Zeitzeugenberichten ergibt sich der Eindruck, dass in den Jahren 1942-1943, also in den Jahren, als viele NN-Häftlinge in Hinzert waren, sowohl die Gewaltexzesse der SS als auch die Mortalität in Hinzert ihren grausamen Höhepunkt erreicht haben dürften. Es spricht sehr viel dafür, dass der für seine Frankophobie bekannte dritte Lagerkommandant Paul Sporrenberg seine hassgeladenen Komplexe besonders irrational Franzosen gegenüber abreagierte.[viii]

Bis heute lassen sich mindestens 321 Todesfälle in Hinzert ermitteln, wobei davon auszugehen ist, dass viele Todesopfer nach Kriegsende nie gefunden wurden. Die Zahlen dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die unmenschlichen Haftbedingungen in Hinzert, die Hungerrationen, die Misshandlungen, die kraftraubenden Kommandos etc. in vielen Fällen erst später zum Tragen kamen, vor allem wenn man bedenkt, dass viele NN-Häftlinge von Hinzert aus in Gefängnisse oder später in andere Konzentrationslager weiterdeportiert wurden, sofern sie nicht schon zuvor von Gerichten zum Tode verurteilt oder an den Haftbedingungen gestorben waren. Der französische NN-Deportierte Marcel Petit war bis zu seiner Befreiung am 15. April 1945 in acht verschiedenen Haftstätten, darunter die Konzentrationslager Hinzert, Groß-Rosen, Mittelbau-Dora und Bergen-Belsen. Auch das nur wenige Kilometer entfernte Gefängnis von Wittlich war Leidensort vieler NN-Häftlinge, die von Trier direkt nach Wittlich oder über das SS-Sonderlager/KZ Hinzert dorthin verschleppt wurden. Nach der Bombardierung Kölns am 09. Juni 1943 fanden in Wittlich und in Trier auch Prozesse gegen NN-Häftlinge statt, doch aufgrund der ständigen Luftangriffe wurden die NN-Prozesse zunehmend in den Osten verlagert (z. Bsp. Breslau oder Kattowitz). Der letzte große Schub NN-Häftlinge verließ Hinzert am 15. Oktober 1943.[ix]

Da der NN-Erlass eine geheime Richtlinie war, ist es nicht überraschend, dass die Nationalsozialisten viele Unterlagen über die NN-Prozesse bei Kriegsende vernichteten.

 

[i] siehe auch: Christel Trouvé: Die Nacht und Nebel Deportationen aus Westeuropa 1942 – 1945, in Konzentrationslager, Sonderlager, Polizeihaftlager“, Landeszentrale für politische Bildung (Hg.), Alzey 2007, S. 98

[ii] Christel Trouvé, ebenda, S.99

[iii] siehe auch: Christel Trouvé: Die Nacht und Nebel Deportationen aus Westeuropa 1942 – 1945, in Dachauer Hefte, Band 21, herausgegeben von Wolfgang Benz und Barbara Distel, Dachau 2005, S. 53

[iv] Volker Schneider: Waffen-SS. SS-Sonderlager Hinzert. Das Konzentrationslager im Gau Moselland, Otzenhausen, 1998, S 144

[v] Schneider, ebenda, S,144

[vi] Trouvé, ebenda, S. 54

[vii] De la Martinière, S. 71

[viii] Vgl. Schneider, ebenda,  S. 145

[ix] Schneider, ebenda, S. 97

2. Zusatzangebot: Lebenslauf Joseph de La Martinére

Abbé Joseph de la Martinière 

* 4. Dezember 1908 in Angouleme

+ 2. November 2003 in Chinon

1932 zum Priester geweiht, war Joseph de la Martinière Vikar in der Gemeinde Gien (Loiret). Als Mitglied der französischen Widerstandsgruppe „Hector“, die im Raum Orléans tätig war, verhaftete die französische Polizei de la Martinière am 12. Mai 1942 auf Grund einer Denunziation. Über die französischen Gefängnisse in Orléans und Fresnes wurde er am 11. Juli 1942 in das SS-Sonderlager/KZ Hinzert deportiert. Dort blieb er bis zum 23. September 1942 inhaftiert. Seine weiteren Stationen in deutscher Gefangenschaft waren die Gefängnisse Wittlich, (bis zum September 1943), Breslau, Schweidnitz und Liegnitz. Zuletzt wurde er am 9. August 1944 in das KZ Dachau eingeliefert, wo er am 29. April 1945 befreit wurde. Um sich erkrankten Mitgefangenen widmen zu können, blieb de la Martinière bis Mitte Mai in Dachau. Am 6. Juni 1945 kehrte er auf seine Priesterstelle in Gien wieder zurück.

Unermüdlich sammelte er nach Kriegsende Unterlagen zu den „Nacht und Nebel Deportierten“, die vor allem auch im SS-Sonderlager/KZ Hinzert gewesen waren. Seine erste schriftliche Ausarbeitung datiert vom Januar 1946, nach dem ersten besuch seiner ehemaligen Leidensstätte. 1948 war er einer der Hauptzeugen im Rastatter Prozess gegen einen Teil der Wachmannschaft des SS-Sonderlagers/KZ Hinzert. Ab 1984 veröffentlichte er mehrere Studien über die „Nacht und Nebel Häftlinge“ im Deutschen Reich.

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3. Zusatzangebot: Lebenslauf Peter Hassall (Channel Islands)

Peter Hassall wurde am 22. November 1922 auf den Channel-Islands (Jersey) geboren. Die Besetzung der Insel durch die deutsche Wehrmacht im Juli 1940 traf die Bewohner von Jersey völlig unvorbereitet. Aufgrund der erfolgreichen Flucht von Dennis Vibert im Oktober 1941 nach England beschlossen Peter und seine Freunde Dennis Audrian. (16) und Maurice Gould. (17) 1942, mit einem eigens gekauften Boot von der Insel zu fliehen. Vor ihrer Flucht sammelten sie deutsche Militäraufnahmen und nahmen diese mit. Doch ihre Flucht misslang: Dennis ertrank, während sich Maurice und Peter ans Ufer retten konnten. Kurz darauf wurden sie verhaftet. Zu diesem Zeitpunkt wussten sie noch nichts von Hitlers Nacht- und Nebel-Erlass und dass sie selbst dessen erste Opfer aus Jersey sein würden. Mitte Mai 1942 verschleppten sie die Deutschen in das Gefängnis von Fresnes (bei Paris), wo sie von der Gestapo verhört wurden. Zusammen mit anderen NN-Gefangenen aus Frankreich wurden sie über das Gefängnis Trier am 17. Juni 1942 ins SS-Sonderlager/KZ Hinzert deportiert. Von den grausamen Haftbedingungen in Hinzert und den dortigen Gewaltexzessen, insbesondere eines französischen Kapos, sollte sich Peters Freund Maurice nie mehr erholen. Zusammen mit ca. 100 anderen Jugendlichen brachte man sie am 24. Juli 1942 ins Gefängnis nach Wittlich. Dort starb sein Freund Maurice an TBC. Kurz vor seinem Tod nahm er Peter das feierliche Versprechen ab,  ihn nicht in Deutschland zurückzulassen und seine sterblichen Überreste nach Jersey zu repatriieren. Über Wittlich wurde Peter im März 1944 nach Breslau deportiert. Die übrig gebliebenen Essensreste bereits verstorbener NN-Häftlinge halfen ihm zu überleben. Erst in Breslau erfuhr Peter die genauen Hintergründe seiner Verhaftung (NN-Erlass vom Dez. 1941). In Breslau forderte die Anklage die Todesstrafe, jedoch verurteilte man Peter aufgrund seines Alters zu einer vierjährigen Haftstrafe. Von Breslau sollte Peter ins KZ Groß-Rosen deportiert werden, da allerdings in Schweidnitz/Swidnica Arbeiter für eine Werkzeugfabrik benötigt wurden, schickte man ihn dorthin. Sein Leidensweg endete im Gefängnis von Hirschberg, als am 8. Mai 1945 ein Wachmann die Türen öffnete und ihn entließ. Trotzdem wurde er von der Roten Armee verhaftet, da er keine Papiere bei sich hatte. Er konnte schließlich fliehen und wurde trotz seiner TBC-Erkrankung am 20.8.1945 in die britische  Armee aufgenommen.

1997 veröffentlichte er seine Memoiren über seine (Leidens)-Geschichte als NN-Deportierter.

Nachdem Peter sich an das britische Königshaus, Margret Thatcher und andere Premierminister und unzählige Organisationen gewandt hatte, half im eine britische Kriegsveteranenorganisation (Royal British Legion) dabei, die sterblichen Überreste von Maurice nach Jersey zurückzubringen. Am 55. Jahrestag ihrer Flucht wurde Maurice in Jersey beigesetzt. Bei der Feier waren neben Peter Hassall auch ehemalige französische NN-Häftlinge anwesend. 1998 starb Peter Hassall. Seine Asche wurde an der Stelle verstreut, von der die drei Freunde damals fliehen wollten. Heute erinnert ein Gedenkstein an die drei Freunde, die jetzt nach so vielen Jahren wieder vereint sind.

 

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